Japans Ministerpräsident Shigeru Ishiba ist seinem Machterhalt ein gutes Stück näher gekommen. Die Regierungskoalition aus seiner Liberaldemokratischen Partei (LDP) und der kleinen buddhistischen Partei Komeito hatte in den Unterhauswahlen am Sonntag ihre Mehrheit verloren.
Doch am Donnerstag vereinbarten die Generalsekretäre der LDP und der Demokratischen Volkspartei (DVP) vertiefte Gespräche. Die LDP ist offenbar bereit, einige Forderungen der drittgrößten Oppositionspartei in ihr Regierungsprogramm aufzunehmen, um im Gegenzug ihre Unterstützung für zentrale Entscheidungen im Unterhaus zu erhalten – inklusive der Wahl des Ministerpräsidenten im Parlament.
Yuichiro Tamaki, der Vorsitzende der DVP, hatte schon am Dienstag in einer Pressekonferenz in Tokio angekündigt, dass er zwar keine Koalition mit der LDP und Komeito bilden wolle, die DVP aber von Fall zu Fall deren Vorhaben im Parlament zustimmen könne. Er machte aber auch klar, dass er seine neue Machtposition durchaus auskosten will. „Bei guter Politik sind wir bereit zu kooperieren, zu schlechter Politik sagen wir Nein“, sagte Tamaki und fügte mit Blick auf die nächste Haushaltsabstimmung hinzu, die LDP müsse verstehen, dass sie ihren Haushalt nicht durchbekomme, „wenn sie nicht gut auf uns hört“.
Noch Uneinigkeit, wie man zusammenarbeiten will
Gleichwohl hatte Ishiba selbst angekündigt, dass er zunächst keinen dritten Koalitionspartner suche, sondern eine Minderheitsregierung anstrebe, die sich je nach politischer Fragestellung die Zustimmung der Oppositionsparteien holen wolle. Zur Mehrheit fehlen LDP und Komeito im neuen Parlament 18 Stimmen. Die DVP war einer der größten Wahlsieger am Sonntag und konnte ihre Mandate im Unterhaus auf nun 28 vervierfachen.
Der Erfolg kam so überraschend, dass die Partei gar nicht genug Politiker für alle ihr zustehenden Sitze auf der Liste hatte. Drei Sitze musste sie daher an die drei größten Parteien im Parlament abtreten. Nach der Konstitutionell-Demokratischen Partei (KDP) und der vor allem in der Region um Osaka starken konservativen Innovationspartei ist sie damit die drittstärkste Oppositionspartei.
Der Generalsekretär der LDP, Hiroshi Moriyama, sprach am Donnerstag vor Journalisten davon, dass er ein Komitee aus Vertretern der LDP, der DVP und Komeito zusammenstellen wolle, um einerseits über ein Konjunkturpaket zu verhandeln, das in erster Linie die gestiegenen Lebenshaltungskosten für die Japaner erträglicher machen solle, aber auch schon über den nächsten Haushalt. Sein Amtskollege von der DVP, Kazuya Shimba, wiederholte dagegen, dass seine Partei im Einzelfall über ihre Zustimmung entscheiden wolle.
Personelle Nähe im möglichen Bündnis
Die DVP ist zwar eng mit dem japanischen Gewerkschaftsbund Rengo verbunden, gilt aber als weniger links als die größte Oppositionspartei KDP. Vor allem der 55 Jahre alte Tamaki steht politisch nicht allzu weit von der konservativen LDP entfernt. Der Mann aus der abgelegenen Präfektur Kanagawa hat in seiner Karriere schon in mehreren von den Konservativen geführten Ministerien sowie im Kabinettsbüro des früheren LDP-Ministerpräsidenten Junichiro Koizumi gearbeitet, bevor er im Jahr 2005 in die Politik ging. Unter Koizumi war auch Ishiba erstmals in eine Regierung aufgestiegen.
Im Wahlkampf hatte Tamaki den Wählern vor allem versprochen, ihre Einkommen aufzubessern. Dafür will die DVP vor allem Steuersenkungen erreichen, etwa durch die Erhöhung der Freibeträge in der Einkommensteuer oder geringere Steuersätze auf Benzin. Die LDP hatte sich bislang gegen Steuersenkungen ausgesprochen, weil Ishiba unter anderem die Ausgaben für das Militär deutlich ausweiten will. Geringere Steuereinnahmen helfen da nicht – zumal Japan schon außerordentlich hoch verschuldet ist. Dennoch gelten die Gräben zwischen LDP und DVP den meisten Beobachtern in Tokio als überwindbar.
Voraussichtlich am 11. November tritt das neu zusammengesetzte Unterhaus zusammen, um über den künftigen Ministerpräsidenten abzustimmen. Kommt im ersten Wahlgang keine absolute Mehrheit für einen Kandidaten zustande, so kommt es zu einer Stichwahl – nach jetzigem Stand zwischen Ishiba und seinem Kontrahenten von der KDP, dem früheren Ministerpräsidenten Yoshihiko Noda. Darin zählt dann eine einfache Mehrheit. DVP-Chef Tamaki kündigte an, dass die Mitglieder seiner Fraktion seinen Namen auf ihre Wahlzettel schreiben sollten. Auf diese Weise würden sie indirekt Ishiba zum Wahlsieg verhelfen, weil ihre Stimmen ungültig würden.
Noda versucht seinerseits, die Oppositionsparteien zu einen, und hat sich dafür schon mit mehreren Parteivorsitzenden getroffen. Feste Zusagen kann er allerdings nicht vorweisen. Laut der DVP ist auch kein Treffen zwischen Tamaki und Noda geplant. Ohne deren Stimmen kann Noda aber keine Mehrheit im Unterhaus erlangen.
Entstanden ist die DVP im Jahr 2018 aus der Zusammenführung der Demokratischen Partei und der von Tamaki mitgegründeten konservativen Partei Kibo no To, was so viel heißt wie Hoffnungspartei. Schon zwei Jahre später schloss sich der Großteil der Mitglieder aber der KDP an, sodass in der Volkspartei nur noch Tamaki und seine Mitstreiter verblieben. Im vergangenen Jahr verließen fünf Abgeordnete die Partei, weil sie dem Parteivorsitzenden vorwarfen, die DVP zu sehr an die LDP anzunähern.